01.05.1999

Rheiderland-Echo, Ausgabe 1. Mai 99

Interview mit Bernard Meyer

Rheiderland-Echo, Ausgabe 1. Mai 99

01.05.1999 - Fragenkomplex I: 1: Die Entwicklung Ihrer Werft in den letzten zwanzig Jahren ist atemberaubend. Doch mit dem Aufstieg zu einem weltbedeutenden Schiffbauer sind anstrengende Diskussionen - Emsvertiefung, Sperrwerk - verbunden, um das Unternehmen am Standort Papenburg zu erhalten. Wünscht sich der Mensch und Familienvater Bernard Meyer nicht manches Mal ein kleineres Familienunternehmen, das sich in "ruhigerem Fahrwasser" bewegen könnte?

BM: Allein die Entwicklung des Schiffbaumarktes hat uns zu dieser Entwicklung geführt. Dazu gab es keine Alternative. Hätten wir allein an den Fähren oder Gastankern festgehalten, hätten wir das Schicksal der Jansen oder Sürken-Werft geteilt. Die Arbeit auf einer Werft ist faszinierend und meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Aber natürlich wünscht man sich, dass wir uns wieder auf unsere Arbeit konzentrieren können, nämlich schöne Schiffe zu bauen.

2: Chef eines Unternehmens zu sein, wird vielfach nur mit angenehmen Dingen verbunden. Doch was bedeutet es, Tag für Tag mit der Verantwortung für rund 2.000 Mitarbeiter aufzustehen? Können Sie uns beschreiben, welche Belastung diese Verantwortung - speziell in den letzten Monaten - für Sie ist.

BM: Natürlich bedeutet die Führung einer Werft harte Arbeit, besonders weil der europäische Schiffbau zur Zeit vor erheblichen Umwälzungen steht. Die Asiaten versuchen alles, um den europäischen Werften auch die letzten Märkte und Marktanteile abzujagen. Der größte europäische Schiffbaukonzern Kvaerner hat jüngst seinen Rückzug aus dem Schiffbau angekündigt. Es stehen somit 13 Werften auf einen Schlag zum Verkauf. Angesichts dieser Situation ist es schon fast unerträglich mit welcher Arroganz und Gedankenlosigkeit mit unserem Schicksal umgegangen wird. Hier geht es nicht um mich, sondern um das Schicksal vieler tausend Menschen auf der Werft und in der Region.

3: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn bei einer Demonstration 15.000 Menschen für die Werft - aber damit auch für Bernard Meyer - auf die Straße gehen?

BM: Ich kann mich nur nochmal bei allen, die uns unterstützt haben, ganz herzlich bedanken. Diese Demonstration hat natürlich allen Kritikern einmal ganz deutlich gezeigt, dass die Menschen an der Ems zu uns stehen. Ich habe mich über diesen Beweis der Solidarität sehr gefreut. Wir glauben, dass fast 20.000 Menschen an der Demonstration teilgenommen haben, bei der Bevölkerungszahl in unserer Region ist das wirklich sehr viel.

Fragenkomplex II: 1: Kommen wir zur aktuellen Situation: Die Naturschützer sagen "Ohne die Meyer-Werft wäre der Bau eines Sperrwerkes kein Thema". Bei allen Argumenten, die für ein Sperrwerk als Küstenschutzmaßnahme sprechen: Wäre Ihrer Meinung nach dieses 350-Millionen Mark teure Projekt ohne die Gefährdung der Arbeitsplätze auf Ihrer Werft und in den Zulieferbetrieben in Zeiten knapper Kassen überhaupt denkbar?

BM: Das Sperrwerk wäre ohne uns nicht nur denkbar, es wäre auch ohne uns genauso notwendig. Das solch ein Bauwerk mehrere Funktionen hat, macht es in seiner Hauptfunktion als Küstenschutzmaßnahme nicht einen Deut schlechter - im Gegenteil. Wir haben in Eemshaven gelernt, dass die Deiche in den Niederlanden viel höher sind. Darüber hinaus ist das Prinzip der Sperrwerke in ganz Holland umgesetzt. Jeder, der etwas von der Sache versteht, weiß, dass der Küstenschutz in Holland einen höheren Standard hat. Hier müssen wir dringend aufholen. Weiterhin haben wir mit dem Sperrwerk doch ein schönes Beispiel, wie Land und Bund mit sinnvollen Mitteln eine strukturschwache Region unterstützen - ein Konjunkturprogramm für Ostfriesland. Was allerdings leider, wie ich meine, bei der derzeitigen Diskussion kaum eine Rolle spielt. Hier sollen 350 Millionen in den Küstenschutz und in die Infrastruktur an der Ems investiert werden. Bauunternehmen aus dieser Region schaffen neue Arbeitsplätze, die Meyer Werft und viele Zulieferfirmen erhalten und schaffen neue Arbeitsplätze, die Sicherheit der Menschen hinter den Deichen wächst. Das alles ist doch eine ganz tolle Sache.

2: Sie haben immer wieder gegenüber den Umweltverbänden Gesprächsbereitschaft signalisiert. Hat es in den vergangenen Wochen Kontakte zu den Naturschützern gegeben?

BM: Bisher hat nur der Betriebsrat ein Gespräch mit den Verbänden geführt, ohne das es ein konkretes Ergebnis gibt. Die Gespräche haben aber wenigstens dazu geführt, dass die leidige und sinnlose Verlagerungsdebatte über die Werft vom Tisch ist. Die Argumente des IG Metall-Gutachtens der Bremer Professoren Hickel und Heseler waren eindeutig.

3: Ist denn ein Kompromiss zwischen Umweltverbänden und Werft-Interessen überhaupt denkbar?

BM: Wenn man grundsätzlich keine Veränderungen akzeptiert, ist ein Kompromiss nur schwer zu finden. Ein Kompromiss wird erst möglich, wenn man grundsätzlich Eingriffe des Menschen in die Natur akzeptiert und dann nach umweltfreundlichen Lösungen sucht. Das Sperrwerk bedeutet einen wesentlich geringeren Eingriff als die Erhöhung der Deiche und bringt gleichzeitig einen wesentlich besseren Küstenschutz.

4: Sie sind und bleiben Optimist, glauben an ein gutes Ende. Woher nehmen Sie diese Zuversicht?

BM: Wer an die Demokratie glaubt, muss Optimist bleiben. Nahezu alle gewählten Vertreter im Bundestag, im niedersächsischen Landtag, in den Kreistagen und in den Kommunen in der Region sind für das Sperrwerk. Dies ist eine klare politische Willenserklärung, die Finanzierung steht und die Demonstration hier hat gezeigt, dass dies im Sinne der Bevölkerung ist. Deswegen bin ich weiterhin optimistisch.

Fragenkomplex III: 1: Sie haben im Februar in einem Interview davon gesprochen, dass der Baustopp bis zum Mai vom Tisch sein muss. Daraus wird nichts. Was bedeutet die Verzögerung für das Unternehmen und was können Sie unternehmen, um die Werft trotzdem "vorm Kentern" zu bewahren?

BM: Jeder Tag, der verstreicht, verteuert das Sperrwerk. Die Verzögerung bedeutet auch für uns erhebliche Zusatzkosten für die Überführung der Schiffe. Zusatzkosten, die man sich in diesem Markt nicht leisten kann. Eine klare Lösung wie wir die Überführung machen werden, gibt es aber noch nicht. Aber eines wissen wir, eine solche Sonderlösung wird sehr teuer.

2: Die Auftragsbücher sind bis zum Ende des Jahres 2002 voll. Können Sie bei der aktuellen Situation überhaupt Aufträge für die Zeit danach akquirieren?

BM: Natürlich spielen die Gegner des Sperrwerkes unserer ausländischen Konkurrenz in die Hände. Neue Aufträge zu buchen, ist mit solch einem Klotz am Bein natürlich ganz schwierig.

3: Ein guter Chef denkt langfristig und beschäftigt sich mit Alternativen. Einen Umzug an die Küste schließen Sie aus. Welche Möglichkeiten sehen Sie?

BM: Schon vor 25 Jahren als die neue Werft aufgebaut wurde und vor dem Bau der überdachten Baudocks, haben wir mit der Landesregierung intensiv einen Umzug an die Küste diskutiert. Das Ergebnis aller Überlegungen war immer, dass ein Umzug für die Werft nicht machbar und für die Region nicht sinnvoll ist. Die Alternative zum Umzug, heißt allein: Schiffbau in Papenburg aufgeben. Für uns war und ist Papenburg der beste Standort, daran wird sich auch nichts ändern. Wir haben in Papenburg das richtige Produkt, die richtigen Anlagen, das Know-how und die richtige Mannschaft.

Fragenkomplex IV: 1: Stichwort Alternative. Welche Bedeutung hat der Standort Rostock heute für Ihr Unternehmen? Kann sich der ostdeutsche Standort zum Unternehmensschwerpunkt entwickeln? Wie sieht Ihre Vision für das Unternehmen "Meyer-Werft" an den unterschiedlichen Standorten für das Jahr 2010 aus?

BM: Wir werden uns in Papenburg weiterhin auf Kreuzfahrtschiffe konzentrieren. In Rostock haben wir einen strategisch wichtigen Standort in der Ostsee. Ich glaube, dass im Jahr 2010 der russische Markt wieder da ist. Rostock ist dafür der richtige Standort mit den richtigen Leuten.

2: Welche Investitionen sind am Standort Papenburg in den nächsten Jahren vorgesehen? Erwarten Sie die Schaffung weiterer Arbeitsplätze?

BM: Bereits im letzten Jahr wurden viele Zeitverträge in feste Arbeitsverträge umgewandelt. Es ist auch vor längerer Zeit ja schon einmal gesagt worden, dass wir investieren wollen, um den Standort Papenburg zu sichern und wettbewerbsfähig zu halten. Wir planen Investitionen von etwa 150 Mio. DM. Neue Anlagen und technische Verbesserungen sind dringend notwendig, um in diesem harten und globalen Markt überleben zu können. Wir müssen unsere Abläufe und unsere Bauweise ganz neu strukturieren. So werden in der Region etwa 200 neue Arbeitsplätze auf der Werft und bei Zulieferfirmen geschaffen.

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